Zukunft ist jetzt
Wie der Klimawandel zur zentralen Herausforderung für Immobilienrenditen wird
Alexander Roth, ESG & Operations Director, Savills Investment Management
Der Klimawandel schreitet mit immenser Geschwindigkeit voran. 2023 war nicht nur das wärmste Jahr in Deutschland seit Messbeginn im Jahr 1881, sondern stellt auch weltweit betrachtet ein neues Rekordjahr dar.1 Die Durchschnittstemperatur lag im vergangenen Jahr in Deutschland um 2,4°C über dem Wert der international gültigen Referenzperiode. Das Pariser Klimaziel, die globale Erwärmung bis zum Jahr 2100 auf 1,5 °C zu begrenzen, haben wir für 2023 zumindest in Deutschland bereits deutlich überschritten.
Neben dem Klimawandel ist auch das Artensterben eine der größten Herausforderungen für den Planeten. Laut Weltbiodiversitätsrat IPBES sind weltweit rund eine Million Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht.2 Allein in Deutschland sind bereits rund 75 Prozent aller Insekten verschwunden.3 IPBES befürchtet, dass die Geschwindigkeit des Artensterbens, das aktuell zehn bis hundertmal so schnell verläuft wie im Durchschnitt der letzten zehn Millionen Jahre, noch weiter an Fahrt aufnimmt. Die Lebensgrundlage von Milliarden Menschen ist damit gefährdet.
Vor dem Hintergrund, dass der Gebäudesektor, also Errichtung, Betrieb und Abriss von Gebäuden, in der EU für 40 Prozent des Endenergieverbrauchs und für etwa 36 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich ist,4 lohnt sich ein Blick auf die Immobilienbranche. In Deutschland drohen durch Versäumnisse in den letzten Jahrzehnten stärkere Belastungen für das Klima. Einer Stellungnahme des Deutschen Bundestags von Dezember 2023 zufolge wurden die nationalen Klimaziele des Gebäudesektors erneut verfehlt.5 Darüber hinaus wurde insbesondere unter Druck aus Deutschland die Novellierung der EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) kurz vor Verabschiedung abgeschwächt.
Die von der Politik hervorgerufenen Unsicherheiten in Bezug auf die weitere Nutzung von Öl- und Gasheizungen haben dazu geführt, dass die Anzahl der verbauten Gasheizungen im Jahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr um rund ein Drittel angestiegen ist. Die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahmen für Gebäudeeigentümer darf jedoch nicht nur auf Grundlage der Energiesicherheit, sondern auch vor dem Hintergrund des stark steigenden CO2-Preises angezweifelt werden. Zum 01. Januar 2024 ist dieser von zuvor 30 Euro pro Tonne auf 45 Euro gestiegen. So-bald der Preis ab 2027 nicht mehr gedeckelt ist und sich über den europäischen Emissionshandel bildet, dürften dreistellige Eurowerte je Tonne schnell erreicht werden. Das Umweltbundesamt empfiehlt einen Kostensatz von 237 Euro pro emittierter Tonne CO2 für das Jahr 2022.6 Für energieineffiziente Gebäude liegen die jährlichen Mehrkosten pro Quadratmeter bei 2 bzw. 10 Euro. Für eine energieineffiziente Wohnung mit einer Fläche von 100 qm kämen so jährliche Zusatzkosten in Höhe von ca. 200 bzw. 1.000 Euro auf Verbraucher und Eigentümer zu.7
Blickt man über nationale Grenzen hinweg, sind Verschärfungen der Energieeffizienzanforderungen vielerorts bereits umgesetzt oder in fortgeschrittener Planung. So müssen zum Beispiel Bürogebäude in den Niederlanden seit Anfang 2023 ein Energieeffizienzrating von mindestens C aufweisen, ab 2030 soll die Anforderung auf A ansteigen. In England ist geplant, dass alle Nicht-Wohngebäude ab 2027 ein Energieeffizienzrating von mindestens C erreichen und ab 2030 mindestens B. Auch wenn Energieeffizienzwerte nicht länderübergreifend gleich sind, sind ähnliche Vorgaben auch in weiteren europäischen Ländern zu verzeichnen und vermehrt in der Diskussion.
Vor diesem Hintergrund sollten sich Immobilienbestandshalter noch stärker mit der Frage beschäftigen, wie sie ihr Portfolio zukunftsfähig entwickeln und auf fossile Energieträger verzichten können. Hier dürfte der in Medien bisher viel kritisierten Wärmepumpe, die als zu teuer und nicht für den Altbau geeignet gilt, zukünftig vermutlich eine stärkere Bedeutung zu Teil werden. Einer Studie von Techem zufolge sind etwa die Hälfte der Mehrfamilienhäuser bereits im aktuellen Zustand für die Umrüstung auf Wärmepumpen geeignet, 90% wären es nach Austausch der bisherigen Heizkörper.8 Hoffnungen, dies auch auf Nichtwohngebäude zu übertragen, sind groß.
Für Bestandsgebäude wird neben der Umrüstung auf regenerative Energiesysteme sowie die Sicherstellung eines optimalen Betriebs der technischen Anlagen in Zukunft auch das Thema Energiebedarfsreduzierung und Artenvielfalt eine Rolle spielen. Hierbei könnte die Dach- und/oder Fassadenbegrünung nicht nur durch ihren kühlenden Effekt im Sommer und ihre wärmenden Eigenschaften im Winter für eine bessere energetische Qualität sorgen, sondern – wenn korrekt umgesetzt – auch das Thema Biodiversität fördern sowie resilienter gegen Klimaveränderungen werden. Die Gründachstrategie der Stadt Hamburg darf hier als gutes Beispiel gesehen werden.
Beispiele zur nachhaltigen Gestaltung von Immobilien gibt es zu Genüge. Auch wenn harte Sanierungspflichten im Rahmen der Reform der EU-Gebäuderichtlinie zunächst vom Tisch sind, werden energetische Anforderungen weiter zunehmen und vermehrt von Investoren ein-gefordert. So hat Frankreich als eines der ersten Länder bereits Einsparziele für baubedingte Emissionen festgelegt. Damit stellt unser Nachbarland wichtige Weichen, um die CO2-Einsparziele doch noch zu erreichen, da insbesondere bei der Herstellung von Baumaterialien sehr viele sogenannter grauer Emissionen entstehen.
Es gibt viel umzusetzen. Die Immobilienbranche tut gut daran, schon jetzt zu handeln und nicht erst auf die nächste regulatorische Verschärfung zu warten. Wie man aus den Temperaturdaten der letzten Jahre erkennen kann, ist Zukunft bereits jetzt.
1. DWD - Deutschlandwetter im Jahr 2023 (dwd.de) – zuletzt aufgerufen am 03.01.2024
2. IPBES (2019): The global assessment report on Biodiversity and ecosystem services
3. Tagesschau vom 07.12.2022 (Artensterben betrifft auch Deutschland | tagesschau.de) – zuletzt aufgerufen am 03.01.2024
4. Europäische Kommission (2020): Im Blickpunkt – Energieeffizienz von Gebäuden - Europäische Kommission (europa.eu) – zuletzt aufgerufen am 08.01.2024
5. Deutscher Bundestag - Klimaziele im Bereich Gebäude und Verkehr werden verfehlt – zuletzt aufgerufen am 03.01.2024
6. Umweltbundesamt (2023): Gesellschaftliche Kosten von Umweltbelastungen – zuletzt aufgerufen am 08.01.2024
7. Annahmen: Gasheizung; Energieausweis F bzw. 180 kWh Energieverbrauch pro m²/a für Heizung und Warmwasser; Emissionsfaktor Gas 0,24 kg CO2/kWh; CO2-Preis pro Tonne 45 bzw. 237 €
8. Techem (2023): Techem Verbrauchskennwerte 2022. Wärme – Erhebungen und Analysen zum Energiever-brauch und zur CO2-Emission für Heizung und Warmwasser in deutschen Mehrfamilienhäusern