CRREM-Tool und Klimaschutzpfad
Anwendung in der Logistik noch tricky, aber in klärender Diskussion
Jan Dietrich Hempel, Geschäftsführer, GARBE Industrial Real Estate
Das Carbon Risk Assessment Tool des Carbon Risk Real Estate Monitor (CRREM) soll Immobilieneigentümern und -investoren den Weg zur Klimaneutralität im Jahr 2050 weisen. Es gibt nutzungsspezifische Klimapfade aus jährlichen Zielwerten für CO2- und Energieintensitäten in kg CO2 und kWh pro Quadratmeter vor. Diese sollen von Immobilien erreicht werden, um auf dem Weg zur im Jahr 2050 angestrebten Klimaneutralität zu bleiben. Immobilien, die diesen Pfad nicht einhalten können, werden etwas drastisch als „Stranded Assets“ bezeichnet. Ihnen drohen Preisabschläge und ungünstigere Finanzierungskonditionen. Sie können aber durch Klimaschutzmaßnahmen, sogenannte "Retrofit Actions", wieder zurück auf den Weg gebracht werden. Beispielhafte Maßnahmen hierfür sind Dämmung oder Photovoltaikanlagen oder auch ein Wechsel zu Grünstromanbietern sein.
Die korrekte Anwendung des Tools vorausgesetzt, mag das bei Nutzungsarten mit vergleichbarem Nutzerverhalten funktionieren. Büronutzer und Einzelhändler haben zum Beispiel recht ähnliche Strom- und Heizenergieverbräuche, wodurch auf Büro- und Einzelhandelsimmobilien je einheitliche Klimapfade angewendet werden können.
Logistikimmobilien werden dagegen höchst unterschiedlich und flexibel genutzt, was bei unreflektierter Anwendung des CRREM-Tools zu irritierenden Ergebnissen führen kann. Zu welcher Tages- und Nachtzeit welche Aktivitäten in einer Logistikhalle stattfinden, welche Voraussetzungen die Immobilien hierfür erfüllen müssen und über welche entsprechenden Stellschrauben sie verfügen, ihre CO2-Emissionen zu senken, hängt vorwiegend vom Nutzer ab und ist vom Betreiber bzw. Eigentümer oftmals kaum beeinflussbar. Obwohl CRREM zwei Klimapfade für Logistikimmobilien entwickelt hat (Unterscheidung zwischen „cold logisitics“ und „warm logisitcs“) sind diese dennoch nicht ausreichend um die Varianz im Nutzungsverhalten von Logistikimmobilien widerzuspiegeln. Frequenz der Fahrzeugbewegungen und Toröffnungsvorgänge, Mobilitätskonzept (Ladesäulen in der Halle), Umschlagshäufigkeit, Automatisierungsgrad, Art der Ware (im Lebensmittelbereich bspw. tiefgekühlt, frisch, konserviert) und Temperaturanforderungen variieren je nach Mieter sehr stark.
Ein Vergleich zwei baugleicher, aber unterschiedlich genutzter Logistikimmobilien zeigt, dass das alles kaum mit einer einheitlichen Methodik abgebildet werden kann: Logistikimmobilie A wird von einem Automobilkonzern genutzt, der von hier aus in reger Frequenz und vielen Toröffnungen Händler mit Ersatzteilen versorgt. Für Kleinteile werden vollautomatisierte Regal- und Kommissionieranlagen mit entsprechendem Stromverbrauch betrieben. Der Tarifvertrag schreibt vor, dass die Lufttemperatur durchgängig auf mindestens 19 bis 20 Grad zu halten ist. Logistikimmobilie B ist dagegen an ein Speditionsunternehmen vermietet, welches im Dreischichtbetrieb rund um die Uhr, bei fast durchgängig geöffneten Laderampen große Sendungsmengen umschlägt. Mit den Mitarbeitern ist vereinbart, die Halle, abgesehen von einigen Containern, in denen sich die Hallenbüros befinden, im Winter nicht zu beheizen. Nicht nur wegen der Einsparung von Heizenergie, sondern vor allem aus gesundheitlichen Gründen: Die Mitarbeiter bleiben vom ständigen Wechsel zwischen Schwitzen und Frieren verschont und die Krankheitsanfälligkeit sinkt. Der Energieverbrauch von A liegt bei einem Vielfachen von B – und das liegt fast ausschließlich an der unterschiedlichen Nutzung.
Wendet man hier das CRREM-Tool relativ „uniform“ – also unter vollständiger Einbeziehung aller mieterinduzierten Verbräuche - an, so wie man es z.B. im Falle von Büroimmobilien tun würde, entsteht u.U. keine sachgerechte Beurteilung der Immobilie und eine erhöhte Wahrscheinlichkeit eines „Strandens“ kann die Folge sein. Dass obendrein die Logistik mehr als 15 - teils nach Konstruktion und Nutzung sehr unterschiedliche - Logistikgebäudetypen nachfragt, macht die korrekte Verortung eines Objektes auf dem CRREM-Pfad nicht eben leichter.
Eines ist klar: Die Immobilienindustrie muss entschlossen handeln, um ihren Beitrag zur Reduktion der CO2-Emissionen zu leisten, also auch der Investoren-Liebling Logistikimmobilie. Daher gibt es zur zielorientierten und sachgerechten Anwendung des CRREM-Tools mittlerweile Gespräche zwischen dem ZIA-Ausschuss für Logistikimmobilien und dem Institut für Immobilienökonomie, die womöglich in einer konkretisierten Anwendungsempfehlung resultieren könnten.
Denn das beschäftigt ja alle Akteure, eingeschlossen Investoren, Entwickler, Nutzer, Bauunternehmen und Baustoffanbieter: Eine in puncto Emissionsvermeidung und -reduktion erfolgreiche Konstruktion, Nutzung und auch Bestandsverbesserung von Logistikimmobilien braucht klare Ziele und Erfolgskontrollen, die sichere und objekt- und objekttypenübergreifend vergleichbare Maßstäbe bieten. Und sie braucht eine klare Zuordnung der jeweiligen Verantwortung für Emissionen, zwischen Betreiber/Eigentümer und Mieter.
Nur so entsteht die Sicherheit für künftige Investitionen in Neubau und Bestand, ohne die die durch das CRREM-Tool abgebildeten Klimaziele in Gefahr geraten.