Warum die Offenlegungsverordnung weiterentwickelt werden muss
Die Zuordnung eines Immobilienfonds zu einem der Artikel der Offenlegungsverordnung ist zu einem kommerziell wichtigen Vertriebsargument geworden. Durch das gestiegene Umweltbewusstsein möchten Menschen ihr Geld gerne dort investieren, wo es ökologisch oder sozial einen Mehrwert schafft.
Was bedeuten die drei Zahlen? Unter Artikel sechs werden alle Fonds subsumiert, die ohne Nachhaltigkeitsmerkmale in ihrer Strategie investieren. Höherwertig sind dagegen Fonds nach Artikel acht, die ökologische oder soziale Merkmale in ihrer Strategie ausweisen. Die Königsklasse heißt derzeit Artikel neun bzw. Impact Investing, mit diesen Fonds soll ein aktiver Beitrag zum ökologischen und sozialen Umbau unserer Gesellschaft geleistet werden.
Die Zuordnung zu einer dieser Klassen wird von der jeweiligen nationalen Wertpapieraufsicht festgelegt, in Deutschland die BaFin, bei der die Fondsvertragsbedingungen zur Genehmigung eingereicht werden.
Die BaFin, eine Behörde, hat sich dabei an objektiven Kriterien zu orientieren, insbesondere natürlich auch an Gesetzen und Verordnungen, die sie auf diesem Wege umzusetzen hat. Einige Vorgaben kann sie dabei der EU-Taxonomie entnehmen, ist aber im hohen Maße auch auf eigene Festlegungen angewiesen, da die rechtlichen Vorgaben viel zu unkonkret sind. Auch gibt es bisher nur eine E-Taxonomie, zur S-Taxonomie gibt es bislang nur einen wenig bekannten Entwurf.
Für Immobilienfonds, die bekanntlich nur circa 10 % des Volumens aller Investmentfonds ausmachen, bedeutet dies, dass sich die BaFin an kodifizierten Rechtsquellen bei ihrer Zuordnung orientiert. So spielt zum Beispiel das Rating nach den Energieausweisen eine wichtige Rolle, denn der Energieausweis ist ein europäisch genanntes Rechtsinstitut. Auch die Taxonomie mit ihren immobilienrelevanten Regulatory Technical Standards (RTS) wird hierfür zu Rate gezogen.
Die Rechtsquellen reichen aber bei weitem nicht aus. Zur Beurteilung greift die BaFin von daher auf weitere Kriterien zu, wie zum Beispiel die Einhaltung des CRREM-Pfades für Immobilien. Auf diese Weise erhält dieses wissenschaftliche Modell quasi eine gesetzliche Wirkung.
Während es bei den E-Kriterien verschiedene objektive Orientierungshilfen gibt, ist bei den S-Kriterien noch deutlich schwieriger: Für soziale Ziele fehlt es bislang vollständig an gesetzlicher Kodifizierung. Die BaFin nimmt bei ihren Entscheidungen zu Fonds mit sozialen Zielen zum Beispiel starken Bezug auf die Unterstützung von bezahlbarem Wohnen, ohne dass dies irgendwo rechtlich kodifiziert wäre.
Die BaFin möchte sicherlich im besten eigenen Interesse, im Interesse der Anleger und auch der Fondsmanager konsistent handeln. Allerdings ist das in der Praxis alles andere als einfach. Wäre die aktuelle Gemengelage nicht schon kompliziert genug, soll nun die Offenlegungsverordnung auch noch grundlegend überarbeitet werden. Wir können sicher sein, dass dies zwei bis vier Jahre dauern wird, und der Ausgang ungewiss sein wird.
Sie wird übrigens innerhalb der EU sehr unterschiedlich interpretiert. In Frankreich ist schon die überwiegende Mehrheit der Investmentfonds mit einer Zuordnung zu Artikel acht oder neun ausgestattet. In Deutschland liegt die Quote dagegen eher bei einem Viertel. Deutsche Anleger hatten zum 31. März 2024 fast EUR 1 Billion in Fonds gemäß Artikel acht und neun der Offenlegungsverordnung investiert. Publikumsfonds verwalten mit EUR 727 Milliarden rund dreiviertel des Gesamtvolumens. Das Segment der Spezialfonds mit Nachhaltigkeitsmerkmalen ist mit Euro 250 Milliarden deutlich kleiner. Diese Zahlen beziehen sich auf den gesamten Fondsmarkt, von dem Immobilienfonds bekanntlich den kleineren Teil ausmachen.
Das Wachstum bei den Artikel acht und neun Fonds im Gesamtmarkt (also Wertpapier- und Immobilienfonds) geht seit Ende 2023 ausschließlich auf Umqualifizierung bestehender Produkte zurück. Das Neugeschäft entwickelte sich seitdem sogar negativ. So beläuft sich das Nettomittelaufkommen bei den Publikumsfonds nach Artikel acht und neun seit einem Jahr mit einem Betrag von circa EUR -13 Milliarden sogar statt negativ, während Fonds ohne Nachhaltigkeitsmerkmale im gleichen Zeitraum einen Zufluss von fast EUR 19 Milliarden verbuchen konnten.
Quelle BVI
Der Branchenverband BVI vermutet, dass viele Kunden ein Nein, bei der obligatorischen Frage zu Nachhaltigkeitspräferenzen angeben, um sich die volle Flexibilität in der Produktauswahl zu erhalten. Darüber hinaus scheiterten selbst interessierte Anleger oft an der Komplexität der vorgegebenen Fragen. Weil Definitionen und Standards fehlen, seien verpflichtende Angaben zu den Nachhaltigkeitsmerkmalen regelmäßig nicht vergleichbar. Dies führe zusätzlich zur Verunsicherung vieler Privatanleger.
Ein weiterer Aspekt könnte sein, dass Fonds mit oder ohne Nachhaltigkeitsmerkmale in ihrer Anlagestrategie unterschiedliche Branchen bevorzugen. Hersteller von Windkraftanlagen, Eisenbahntechnik oder zum Teil auch Nahrungsmittel und Kosmetik sowie Technologie Aktien würden häufiger von Fonds nach Artikel acht und neun gesucht, während Unternehmen aus der Grundstoffindustrie oder dem Öl – und Gassektor stark untergewichtet würden. Dasselbe gelte auch für Luft- und Raumfahrt sowie Verteidigung. Aufgrund der politischen Lage schätzten derzeit viele Beobachter aber gerade diese Branchen als besonders attraktiv ein.
Offensichtlich wird die gewünschte Lenkungswirkung nicht wirklich erzielt. Stattdessen entsteht viel Bürokratie, die für den einfachen Menschen nicht mehr verständlich ist. Das Interesse der Anleger an den umfangreichen Pflichtveröffentlichungen sei offenbar extrem niedrig. So seien, beispielsweise die Klicks zu den „Erklärungen zu den wichtigsten nachteiligen Auswirkungen von Investitionsentscheidungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren“ auf den Internetseiten mehrerer großer Kapitalverwaltungsgesellschaften nur im einstelligen Bereich. Das berichtet der Verband BVI aus Gesprächen mit seinen Mitgliedsgesellschaften. Und da die Kapitalverwaltungsgesellschaften angaben, auf den Seiten ihrer Mitbewerber nachgesehen zu haben, was dort zu lesen wäre, liegt die Vermutung nahe, dass man die Klicks von interessierten Dritten tatsächlich mit den Fingern einer Hand abzählen kann. Man kann sich dem Eindruck nicht verwehren, dass von den zahlreichen EU-Regulierungen bislang mehr die einschlägigen Berater profitieren als die Umwelt.
Man darf der EU bei aller Kritik aber eine Lernfähigkeit und Lernwilligkeit attestieren. So soll zum Beispiel in einer neuen Version der Offenlegungsverordnung eine Fondskategorie für die nachhaltige Transformation eingeführt werden. Man kann dies als Antwort auf die Kritik werten, dass die bisherige Einordnung sehr kategorisch ist. So gibt es für schlechter eingeordnete Investments wenig Möglichkeiten, eine höhere Klasse zu erreichen. Mit Blick auf die Immobilien ist das besonders augenscheinlich. In Deutschland entfallen ein Drittel aller ausgestellten Energieausweise auf die schlechtesten Kategorien G und H. Nur etwas mehr als 10% entfallen auf die besten Kategorien A und B. Eine Zuordnung zu A ist aber in der Taxonomie ein Kriterium für die Zurechnung einer Immobilie als nachhaltiges Investment. Dies lässt die große Mehrzahl der Immobilieneigentümer ohne Hoffnung, jemals mit ihren Objekten eine entsprechende Zuordnung zu erreichen.
Tatsächlich überlegt die EU-Kommission, ein echtes Klassifizierungssystem für nachhaltige Produkte einzuführen, was für die Offenlegungsverordnung in ihrer heutigen Form grundlegende Veränderungen bedeuten könnte.
Diskutiert wird unter anderem eine Kategorie für nachhaltige Transformation. Dies gäbe Anlegern, die Möglichkeit, in Vermögenswerte zu investieren, die den Übergang von braunen zu grünen Geschäftsmodellen unterstützen. Für den ökologischen Umbau unserer Wirtschaft wäre dies ein wichtiges Signal. Laut BVI wäre eine solche Anlageklasse, auch geeignet, dem sogenannten Green Washing entgegenzuwirken. Besonders wichtig sei, dass die Regelungen für die Anleger besser verständlich und weniger komplex werden.
Rom wurde nicht an einem Tag gebaut: Die mediale Aufmerksamkeit um die Offenlegungsverordnung erweckt möglicherweise den Eindruck, es handelte sich um ein ausdefiniertes Regelwerk. Das trifft aber nicht zu. Angesichts der ökonomischen Bedeutung, die von der Offenlegungsverordnung ausgeht, ist das durchaus bedauernswert, aber andererseits erfordern Lernprozesse eine gewisse Zeit, für die es keine Abkürzungen gibt.